Verkehrsrechtliche Unterschiede innerhalb der EU

Die Europäische Union verfolgt das Ziel eines einheitlichen Binnenmarkts – dazu gehört auch die möglichst freie und sichere Mobilität der Menschen innerhalb der Mitgliedsstaaten. Doch wer innerhalb Europas mit dem Auto unterwegs ist, merkt schnell: Einheitlich ist der Straßenverkehr keineswegs. Trotz verschiedener EU-Richtlinien existieren teils erhebliche verkehrsrechtliche Unterschiede zwischen den Ländern. Diese betreffen nicht nur die Tempolimits oder Promillegrenzen, sondern auch Bußgelder, Mautregelungen und sogar die Anerkennung von Führerscheinen.
Tempolimits: Freie Fahrt nur in Deutschland
Ein markantes Beispiel für Unterschiede ist das Tempolimit. Während fast alle EU-Länder auf Autobahnen Geschwindigkeitsbegrenzungen haben – in der Regel zwischen 110 km/h (z. B. in Zypern) und 130 km/h (z. B. in Frankreich, Österreich, Italien) – ist Deutschland das einzige Land ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen. Diese Regelung wird im europäischen Ausland oft kritisch betrachtet und ist regelmäßig Gegenstand politischer Debatten innerhalb Deutschlands. Innerorts und auf Landstraßen gibt es hingegen vergleichbare Limits: meist 50 km/h innerorts und 80–90 km/h außerorts.
Promillegrenzen: Toleranz ist nicht überall gleich
Auch beim Alkohol am Steuer unterscheiden sich die Regelungen. Die meisten EU-Länder erlauben maximal 0,5 Promille, etwa Frankreich, Spanien oder Österreich. In Ländern wie Polen, Ungarn oder der Slowakei gilt hingegen eine 0,0-Promillegrenze – dort ist absoluter Alkoholverzicht vorgeschrieben. Deutschland liegt mit 0,5 Promille im EU-Durchschnitt, allerdings gelten für Fahranfänger und Berufskraftfahrer strengere Regeln (0,0 Promille).
Diese Unterschiede können für Reisende schnell teuer werden: Wer im Ausland dieselbe Menge Alkohol konsumiert wie in der Heimat und sich fahrtüchtig fühlt, kann dort bereits eine Straftat begehen.
Bußgelder und ihre Vollstreckung
Ein weiteres Problemfeld sind die teils drastisch unterschiedlichen Bußgelder. Während in Deutschland ein Handyverstoß mit 100 € geahndet wird, können in den Niederlanden dafür schnell 240 € fällig werden. Besonders teuer sind Verkehrsverstöße in Skandinavien, wo Bußgelder oft einkommensabhängig erhoben werden – ein Raserdelikt kann dort leicht mehrere Tausend Euro kosten.
Durch ein Abkommen innerhalb der EU – das sogenannte EU-Rahmenbeschluss zur Geldsanktionenvollstreckung – können Bußgelder ab einer Bagatellgrenze von 70 € auch grenzüberschreitend vollstreckt werden. Das bedeutet: Wer in Frankreich geblitzt wird, muss auch in Deutschland zahlen, wenn der Betrag entsprechend hoch ist. Dennoch gibt es in der Praxis viele Ausnahmen und formale Hürden, sodass viele Strafzettel in der Realität nicht vollstreckt werden.
Mautsysteme: Einheit nicht in Sicht
Ein weiteres Beispiel für fehlende Harmonisierung sind die Mautsysteme. Während Länder wie Deutschland oder die Niederlande auf eine Lkw-Maut setzen und Pkws mautfrei bleiben (abgesehen von wenigen Tunneln oder Brücken), verlangen Länder wie Österreich, Slowenien oder die Schweiz eine Vignette für alle Fahrzeuge. Andere Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien betreiben ein streckenabhängiges Mautsystem mit Gebühren pro gefahrenem Kilometer.
Für Reisende wird es dadurch kompliziert: Wer eine Urlaubsreise durch mehrere Länder plant, muss sich zuvor über jedes einzelne Mautsystem informieren – andernfalls drohen hohe Strafen.
Führerscheine: EU-weit gültig, aber nicht ganz problemlos
Grundsätzlich gilt: Ein in der EU ausgestellter Führerschein ist in allen Mitgliedsstaaten gültig. Das bedeutet, dass man mit einem deutschen Führerschein auch in Italien, Spanien oder Griechenland fahren darf – ohne zusätzliche Formalitäten. Dennoch gibt es in Einzelfällen Schwierigkeiten, etwa bei der Umschreibung von Führerscheinen nach einem Umzug oder bei juristischen Verfahren.
Zudem gibt es Unterschiede bei Führerscheinklassen und Prüfungsanforderungen. So dürfen z. B. in manchen Ländern Jugendliche schon mit 17 oder sogar 16 ein Moped oder kleines Motorrad fahren, während dies in anderen Staaten erst mit 18 erlaubt ist. Auch die Probezeit-Regelungen variieren.
Verkehrskontrollen und Polizeibefugnisse
Nicht zuletzt bestehen Unterschiede in der Art und Weise, wie Verkehrsregeln durchgesetzt werden. In einigen Ländern sind Verkehrskontrollen deutlich häufiger und strenger. In Frankreich z. B. ist es Pflicht, eine Warnweste, ein Warndreieck und einen Alkoholtester mitzuführen. In anderen Ländern genügt es, das Warndreieck im Kofferraum zu haben.
Auch die Befugnisse der Polizei unterscheiden sich. In manchen Ländern dürfen Beamte bei Verdacht das Fahrzeug durchsuchen oder sofort Strafen verhängen, während in anderen erst ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden muss.
Einheitliche Regeln? Fehlanzeige.
Obwohl die EU den freien Personenverkehr fördert, ist der Straßenverkehr ein Bereich, in dem nationale Eigenheiten weiterhin dominieren. Für Autofahrer bedeutet das: Wer sicher durch Europa reisen will, muss sich vorab gut informieren. Eine vollständige Harmonisierung scheint derzeit unrealistisch – zu groß sind die kulturellen, rechtlichen und politischen Unterschiede. Umso wichtiger ist es, bei Auslandsreisen nicht nur das Navi zu programmieren, sondern auch die Verkehrsregeln des Ziellandes zu kennen.
Quelle: ARKM Redaktion